Auf jene schwere Zeit folgte eine Zeit besonderer Blüte und großer Ausstrahlung. Unter den Professoren ragte vor allem das sogenannte „Brixner Dreigestirn“ Vinzenz Gasser (später Fürstbischof von Brixen und auf dem I. Vatikanum ein eifriger Verfechter der päpstlichen Infallibilität), Franz Joseph Rudigier (später Bischof von Linz und Erbauer des dortigen Domes) und Joseph Feßler (später Bischof von St. Pölten und Sekretär des I. Vatikanums) hervor. Aber auch viele andere Seminarprofessoren hatten durch ihre Veröffentlichungen eine breite kirchliche Wirkung.
Um die vorletzte Jahrhundertwende war das Brixner Seminar eine Förderungsstätte christlich-sozialer Ideen (u.a. Aemilian Schöpfer, Sigismund Waitz). Nach 1918 begann eine neue Phase. Durch die neue Staatsgrenze am Brenner wurde die Diözese Brixen nämlich zweigeteilt: ein großer Teil (Nord- und Osttirol, sowie Vorarlberg) verblieb österreichisch, der obere Vinschgau, das Eisack- und das Pustertal mit der Bischofsstadt Brixen kam zu Italien. Das Priesterseminar bildete aber weiterhin (für 20 Jahre) die Priester aus beiden Teilen der Diözese aus.
Bereits 1921 wurde der österreichisch verbliebene Teil der Diözese Apostolische Administratur, blieb aber immer noch Brixen unterstellt. 1925 ernannte der Heilige Stuhl Sigismund Waitz zum Apostolischen Administrator von Innsbruck-Feldkirch mit allen Rechten und Pflichten eines Residentialbischofs. Somit war die Trennung von Brixen faktisch, wenn auch noch nicht definitiv vollzogen.
Im Jahre 1938 wurde das Canisianum zum Diözesanseminar der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch erklärt, da die Theologen von jenseits des Brenners nicht mehr nach Brixen kommen durften.
Im Jahre 1944 mussten die meisten Theologen des Brixner Priesterseminars zur Wehrmacht einrücken, sodass das Studienjahr mit nur vier Hörern im Cassianeum eröffnet wurde, da das Seminargebäude vom Deutschen Militär besetzt war. 1945 stand es wieder den Theologen zur Verfügung, beherbergte aber für mehrere Jahre auch verschiedene (öffentliche) Schulen.
Im Jahre 1957/58 ließ Bischof Joseph Gargitter das Seminar vollständig umbauen und an die Wohnverhältnisse der Zeit anpassen, nachdem der Bau aus dem 18. Jh. bereits um die Jahrhundertwende um ein Stockwerk erhöht und um den Ostflügel erweitert worden war.
In der in diesem Abschnitt behandelten Zeit (19. und 20. Jh.) studierten mehrere bedeutende Persönlichkeiten im Brixner Priesterseminar, unter anderem große Glaubenszeugen wie der Heilige Josef Freinademetz († 1908 als Missionar in China), der selige Otto Neururer († 1940 als Märtyrer im KZ Buchenwald; siehe Bild), P. Franz Reinisch SAC († 1942: hingerichtet im Zuchthaus Brandenburg) und der selige Carl Lampert († 1944: hingerichtet in Halle/Saale) und andere bedeutende Gestalten der Kirche Tirols wie - um stellvertretend für viele andere nur einige Namen zu nennen - Alois Maaß (weitum verehrter Pfarrer von Fließ, † 1846), Ignaz Mitterer (Komponist volkstümlicher Kirchenmusik, † 1924), Aemilian Schöpfer (Priester, christlich-sozialer Politiker, Zeitungsmann, † 1936), Sebastian Rieger („Reimmichl“, † 1953), P. Josef Andreas Jungmann SJ (Liturgieprofessor in Innsbruck, † 1975), Johannes Messner (Professor für Ethik und Sozialwissenschaften in Wien, † 1984).