"Es geht vor allem um Freundschaft"

Walter Kardinal Kasper im Interview

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Walter Kasper wurde von Johannes Paul II. zum Kardinal und zum Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ernannt. Über den mittlerweile emeritierten Kurienkardinal sagte Papst Franziskus bei seinem ersten Angelusgebet am 21. April 2013: "In diesen Tagen habe ich ein Buch eines Kardinals lesen können, von Kardinal Kasper, ein großartiger Theologe, ein guter Theologe, über die Barmherzigkeit. Und dieses Buch hat mir sehr gut getan – denkt aber nicht, dass ich Werbung für die Bücher meiner Kardinäle mache, so ist das nicht - aber es hat mir sehr gut getan. Kardinal Kasper sagte, dass das Spüren der Barmherzigkeit, dieses Wort, alles ändert, es ist das Beste, was wir spüren können. Es ändert die Welt, ein wenig Barmherzigkeit macht die Welt weniger kalt und richtiger. Wir müssen die Barmherzigkeit Gottes gut verstehen, dieses barmherzigen Vaters, der so viel Geduld hat. Denken wir an die Worte des Propheten Jesaja, der feststellt, dass auch, wenn unsere Sünden rot wären wie Scharlach, die Liebe Gottes sie weiß machen würde wie den Schnee. Das ist das Schöne an der Barmherzigkeit." Kardinal Kasper verbringt seit 2017 einen Teil seines Sommerurlaubs im Priesterseminar von Brixen. Dort wurde dieses Interview mit ihm geführt.


Lieber Herr Kardinal, wie kommt es, dass Sie Ihren Urlaub im Priesterseminar von Brixen verbringen?
Es ist besonders schön hier. Das Priesterseminar ist ein wunderschöner Bau inmitten einer reizvollen alten Stadt und einer herrlichen Landschaft. Die Bibliothek im Haus ist sehr gut. Alle Angestellten im Haus sind gästefreundlich und entgegenkommend.

Wie schätzen Sie die kirchliche Situation in Südtirol ein?
Sie ist ähnlich wie in Österreich und Süddeutschland. Der aktive Kirchenbesuch geht zurück, doch es zeigt sich auch neues Leben. Es gibt viele Gruppen, auch von jungen Menschen, die sich zum Gebet versammeln, und Laien, welche Verantwortung übernehmen. Südtirol hat eine starke christliche Tradition. Diese gilt es wachzuhalten und zeitgemäß zu leben. Das ist nicht zuletzt eine Aufgabe der jungen Menschen.

Keine leichte Aufgabe in unserer schnelllebigen Zeit. Was ist ihrer Ansicht nach ein guter Nährboden für Berufungen?
Grundlegend ist die Familie. Es ist wichtig, dass dort gebetet wird und dass die Familie gemeinsam den Gottesdienst besucht. Es braucht aber auch Begegnungen mit Priestern, die ansprechen und überzeugen. Ich erinnere mich an einen Priester, der so gut Fußball spielen konnte, dass er auch in dem, was er sagte, glaubhaft war. Ich selbst wollte schon als Kind Priester werden. Ich habe diese Entscheidung nie bereut.

Wie interpretieren Sie die Botschaft von Papst Franziskus im Blick auf geistliche Berufungen?
Der Papst verlässt sich auf die Jugendlichen. Er setzt Hoffnung in die Jugend, er ermutigt sie. Er ruft sie auf, nicht einfach alles zu übernehmen. Er ermutigt sie, einen geistlichen Weg zu gehen, gerade dann, wenn sie nach einem Beruf suchen, der rundum erfüllend ist, in dem sie Menschen begegnen, ihnen helfen, ihnen Mut, Trost und Rat spenden können.

Was macht für sie ganz persönlich die Faszination des Priestertums aus?
Das Schönste ist es, dass der Priester Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten kann. Das beginnt schon mit der Taufe. Als junger Vikar habe ich besonders gerne getauft, Jugendliche begleitet und Menschen auf die Hochzeit vorbereitet. Dann aber begegnet der Priester auch schwierigen Situationen, wie Krankheit, Leid und Sterben. Schon ein gutes Wort oder das stille Auflegen der Hände kann helfen und Mut machen. So kann der Priester Menschen helfen, den Sinn ihres Lebens zu finden. Er kann die frohe Botschaft ins Leben hineinsprechen. Jeder Mensch braucht diese frohe Botschaft, braucht Hoffnung und Lebensfreude. Das Schönste am Dienst des Priesters ist es, Gemeinschaft in Gott, in Jesus Christus zu erleben. Deshalb kommt der sonntäglichen Eucharistiefeier eine besondere Bedeutung zu. Dort dürfen wir danken für das Leben und für Jesus Christus.

Wenn Sie nur ein Wort hätten, um das priesterliche Leben zu beschreiben, welches Wort wäre das? 
Freundschaft. Zuerst geht es vor allem um Freundschaft mit Jesus Christus als Zentrum des priesterlichen Lebens. Diese Freundschaft muss sich auswirken auf die Beziehung zu anderen Menschen. Wichtig ist der freundschaftliche Kontakt der Priester untereinander, in dem sie die frohen Seiten, aber auch die Probleme ihres Dienstes teilen. Wertvoll sind auch Freundschaften zu Laien, auch zu Frauen. Das beginnt schon mit der Beziehung zur eigenen Mutter und zu unseren Schwestern. Sie können uns von ihrem Blick auf das Leben viele Aspekte des Lebens erschließen und uns helfen selbst zu wachsen und zu reifen.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.

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